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Nach dem Ampelbruch Bundeswahlleiterin warnt vor »unabwägbaren Risiken« bei einer Neuwahl im Januar

Olaf Scholz peilt Neuwahlen im März an, die Opposition drängt auf einen deutlich früheren Termin. Nun aber erhält der Kanzler Unterstützung von der Bundeswahlleiterin. Die sieht nach SPIEGEL-Informationen eine schnelle Abstimmung kritisch.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand: »Hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnten«

Bundeswahlleiterin Ruth Brand: »Hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnten«

Foto: Fabian Sommer / picture alliance / dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz will die Vertrauensfrage stellen, Neuwahlen stehen bevor. Doch Termine dafür stehen noch nicht fest. Bundeswahlleiterin Ruth Brand appelliert nun in einem Brief an Kanzler Scholz, auf dem Weg zu Neuwahlen nichts zu überstürzen.

Überschrieben ist der Brief, der dem SPIEGEL vorliegt, mit dem Betreff: »Herausforderungen und Risiken einer vorgezogenen Neuwahl im Januar bzw. Februar 2025«. Einen solchen Termin wünscht sich die Opposition im Bundestag.

»Da die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahl essentiell für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie ist, ist es erforderlich, den Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Deutschen Bundestages voll ausschöpfen zu können, um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können«, heißt es in dem Brief, der dem SPIEGEL vorliegt.

»Soweit Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, wäre der nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt«, schreibt die Bundeswahlleiterin weiter: »Dies könnte zu unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene, führen und Beschaffungsmaßnahmen faktisch kaum realisierbar machen.«

Olaf Scholz: »Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren«

Olaf Scholz: »Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren«

Foto: Markus Schreiber / AP

Bundeswahlleiterin Brand listet fünf Risiken auf:

  • eine vermehrte Nichtzulassung von Wahlvorschlägen, beispielsweise wegen fehlerhaft eingereichter Wahlvorschläge

  • nicht etablierte Parteien, die Unterstützungsunterschriften sammeln müssten, stünden unter Zeitdruck

  • Gemeindebehörden könnten zu sehr belastet werden

  • eine Überlastung der Wahlämter könnte zulasten einer ordnungsgemäßen Briefwahlvorbereitung gehen

  • Und: »Zudem ist zu befürchten, dass nicht nur in einzelnen Wahlbezirken, sondern in größerem Ausmaß, durch fehlende Wahlunterlagen oder unzureichend geschulte Wahlvorstände eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl gegebenenfalls nicht hinreichend gewährleistet werden kann.«

Dadurch sehe sie »eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnten«, schreibt die Bundeswahlleiterin.

Friedrich Merz: Parteipolitische Verzögerungstaktik

Friedrich Merz: Parteipolitische Verzögerungstaktik

Foto: Political-Moments / IMAGO

SPD kritisiert Vorschlag von Merz

CDU-Chef Friedrich Merz verlangt von Scholz, bereits am kommenden Mittwoch die Vertrauensfrage zu stellen. Das würde bei Ausschöpfung aller Fristen eine Wahl spätestens am 2. Februar bedeuten. Merz wirft Scholz bei seinem Plan, die Vertrauensfrage am 15. Januar stellen zu wollen, eine parteipolitische Verzögerungstaktik vor. Es sei »verantwortungslos, mit diesem Instrument jetzt so umzugehen, dass es eine reine Verzögerung über den Jahreswechsel wird«, sagte Merz.

Die SPD kritisiert den Vorschlag von Merz. »Die Durchführung von Wahlen und der Wahltag selbst sind an rechtliche und praktische Voraussetzungen gebunden«, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem SPIEGEL. »Niemand unter den Vertretern der demokratischen Parteien darf aus taktischen Gründen riskieren, dass eine Bundestagswahl aus organisatorischen Gründen in Zweifel gezogen wird oder gar im Chaos endet.«

Mützenich weiter: »Unsere gemeinsame Verantwortung ist zudem, den Menschen vor dem Jahreswechsel Sicherheit zu geben, wenn es etwa um die Erhöhung des Kindergeldes oder die Sicherung der Arbeitsplätze geht.«

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Bundeskanzler Scholz zeigt sich derweil verhandlungsbereit. »Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren«, sagte er nach dem EU-Gipfel in Budapest. Eine Einigung der Fraktionen im Bundestag zu vor der Wahl noch nötigen Gesetzesvorhaben könne auch die Frage beantworten, »welcher Zeitpunkt dann der richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen«. Gut wäre es nach seinen Worten, wenn nun im Bundestag »unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung darüber erreicht wird, welche Gesetze noch in diesem Jahr beschlossen werden können«.

Das News-Update zur Regierungskrise lesen Sie hier.