Aufnahme, Betreuung, Unterbringung und Integration von Geflüchteten

Positionspapier des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vom 16. Februar 2023

Aufnahme, Betreuung, Unterbringung und Integration von Geflüchteten in Brandenburg im Kontext des völkerrechtwidrigen Angriffs auf die Ukraine

 

1. Vorbemerkung

a. Der völkerrechtswidrige Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat zu einer in diesem Jahrhundert bis dahin ungekannten Fluchtbewegung nach Deutschland und in andere Staaten Europas geführt. Allein das die Ostgrenze Deutschlands bildende Brandenburg hat 2022 in einer breiten Welle der Hilfsbereitschaft der Menschen fast 40.000 Geflüchtete aufgenommen. Das ist mehr als während der sog. Flüchtlingskrise 2015. Für die Menschen musste Wohnraum bereitgestellt werden. Notwendig bleiben auch die soziale Betreuung und Bildung. So wurden Ende Januar 2023 fast 6.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler an Brandenburger Schulen unterrichtet (5.602 an Schulen in öffentlicher Trägerschaft, 304 an Schulen in freier Trägerschaft). Das entspricht etwa 280 zusätzlichen Schulklassen, die kurzfristig aufgenommen und unterrichtet wurden. 

b. Für 2023 werden weiter sehr hohe Zugangszahlen prognostiziert. Es entsteht der Eindruck, Fluchtbewegungen werden als Instrument in der zwischenstaatlichen Auseinandersetzung eingesetzt. Hinzu kommen die Folgen des furchtbaren Erdbebens im syrisch/türkischen Grenzgebiet. 

c. Dies stellt Staat und Kommunen in Brandenburg dauerhaft vor große Herausforderungen. Grenzen der Belastbarkeit sind vielerorts erreicht, nicht selten schon überschritten. 

d. Zwar hat der Bund im vergangenen Jahr Unterstützungsleistungen in Aussicht gestellt.  Es wird begrüßt, dass sowohl der Bund als auch das Land die Kommunen finanziell bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aus dem Bereich der Aufnahme, Unterbringung, Betreuung und Verwaltung von Geflüchteten unterstützen. Jedoch werden zunehmend weitere Handlungsbedarfe gesehen, um insbesondere die Integration von Geflüchteten verbessern zu können. Ein zeitnahes Handeln ist daher dringend geboten. Zugleich ist zwischen kurzfristig notwendigen Maßnahmen auf der einen Seite und mittel- bzw. langfristigen Maßnahmen auf der anderen Seite zu differenzieren. 

e. Freiwillige Aufnahmeprogramme sollte der Bund kurzfristig nur noch verfolgen, wenn zuvor eine Abstimmung mit aufnahmebereiten Kommunen erfolgt ist. Die Kapazitäten in den einzelnen Kommunen sind zu berücksichtigen.

 

2. Schnell zusätzliche Unterkünfte schaffen

a. Aus dem Brandenburg-Paket sollen weitere 7.000 neue Unterbringungsplätze für Geflüchtete finanziert werden. Dies wird als richtiger notwendiger Schritt befürwortet. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass in immer mehr Kommunen die notwendigen Liegenschaften zur Unterbringung oder um beispielsweise Container aufzustellen fehlen. Teilweise stellt aufgrund von gestörten Lieferketten selbst die Beschaffung der Container eine Herausforderung dar. 

b. Der Bund muss weitere zusätzliche Grundstücke und Liegenschaften bereitstellen. Diese müssen sich in einem solchen Zustand befinden, dass dort kurzfristig eine menschenwürdige Unterbringung möglich ist. Das Land soll die Überlassung solcher Liegenschaften ebenfalls prüfen.

c. Auch muss eine dauerhafte Verlängerung der bauplanerischen Erleichterungen (§ 246 BauGB) für Flüchtlingsunterkünfte erwogen werden. Um den Kommunen eine Wahlmöglichkeit zwischen Gemeinschaftsunterkünften und wohnungsähnlicher Unterbringung zu ermöglichen, sollten zudem neue Modelle für bauplanerische Erleichterungen entwickelt werden, die sich nicht auf reine Flüchtlingsunterkünfte beschränken.

 

3. Kindertagesstätten und Schulen benötigen Ausbauunterstützung

a. Infolge des Ukrainekrieges sind in Brandenburg auch viele Kinder und Jugendliche angekommen. Sie sind in Kindertagesstätten und Schulen aufzunehmen und zu integrieren. Seitens der Kommunen werden in diesen Bereichen größte Anstrengungen unternommen, um Aufnahmen in die entsprechenden Einrichtungen zu gewährleisten. Kapazitätsprobleme und Personalengpässe verschärfen sich immer mehr. Wie bei der Schaffung von Wohnraum muss auch für Schulen und Kindertagesstätten gleichrangig ein von Bund und Land finanziertes Investitionsprogramm für mindestens 5.000 zusätzliche Schulplätze und 5.000 zusätzliche Kitaplätze aufgelegt werden. Eine zweizügige Grundschule kann 25 Mio. Euro kosten. Das zeigt: Die zusätzlichen Investitionsbedarfe lassen sich nicht mit eigenen Mitteln abdecken. Kurzfristig kann auch die Genehmigung von privaten Schulen zu einer Entlastung beitragen.

Im Kitabereich wird ein Problem der Verteilgerechtigkeit zwischen den Einrichtungen gesehen. Hier sollten Regelungen für Obergrenzen des Anteils an Geflüchteten in den Einrichtungen vorgesehen werden, um die Verteilung innerhalb der Kommunen gerechter auszugestalten und Entlastungen in den Einrichtungen zu schaffen, die deutlich überproportional Geflüchtete aufgenommen haben. 

b. Zusätzliche Plätze benötigen zusätzliches Personal. Während die Zahl der zu betreuenden Kinder steigt, bleibt das Angebot zusätzlicher Arbeits- und Fachkräfte schon aus demografischen Gründen sehr knapp. 

c. Die bestehenden Standards sind deshalb zu überprüfen. Baurechtliche Erleichterungsvorschriften sind – wie beim Wohnungsbau – auch für die soziale Infrastruktur dringend erforderlich und ggf. auch im Wege der Standarderprobung zu ermöglichen.

 

4. Konzentration der Integrationsanstrengungen 

Die Integrationsanstrengungen von Land und Kommunen sind in den Städten und Gemeinden auf diejenigen zu fokussieren, die über eine Bleibe- und Integrationsperspektive verfügen. Es ist auf eine rasche Hinführung auf den Arbeitsmarkt hinzuwirken. Sprachkurse und Integrationsarbeit sind zu intensivieren. Das Wirken der kreisangehörigen Städte und Gemeinden muss anerkannt werden. Sie benötigen Mittel, die Integration in die örtliche Gemeinschaft zu befördern.

 

5. Mehr Verantwortungsübernahme durch das Land

a. Wünschenswert sind  eine durchgängige zentrale Aufnahme von Geflüchteten und ein einheitliches Aufnahmeverfahren in Landeszuständigkeit, welches u.a. eine schnelle Registrierung und Identitätsüberprüfung umfassen sollte. Gerade zu Beginn des Ukrainekrieges ist deutlich geworden, dass die hohe Anzahl von Direktzugängen die Landkreise und kreisfreien Städte vor enorme Herausforderungen gestellt hat. Dem kann durch eine Zentralisierung des Aufnahmeverfahrens entgegengewirkt werden.

b. Es ist eine Konzentration der Geflüchteten in einzelnen Kommunen festzustellen. Diese führt zu einer Überlastung der Kommunen. Vor diesem Hintergrund ist die Landesregierung nachdrücklich aufzufordern, alle Regionen des Landes gleichermaßen verbindlich zu berücksichtigen. Übererfüllungen des Aufnahmesolls durch die Kommunen sind auch in Zukunft bei der landesinternen Verteilung im Folgejahr zu berücksichtigen. Es sind Modelle zu entwickeln, um die örtliche Bindung zu stärken und damit die Integration zu fördern. Zudem sollten bei der Verteilung innerhalb des Landes Brandenburg die in den Kommunen vorhandenen Bildungskapazitäten stärker Berücksichtigung finden. Auch bei den notwendigen Krankenhausintensivbehandlungen ist eine gleichmäßigere Verteilung anzustreben.

c. Die örtlichen Integrationsanstrengungen sind auf diejenigen mit Bleibeperspektive zu konzentrieren. Das können die Personen sein, die einen absehbaren Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben. Sie sollen auf die Kommunen weiterverteilt werden. Die übrigen sollen in Landeseinrichtungen versorgt werden, deren Kapazitäten zeitnah deutlich auszuweiten sind. Dies wird zur Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte beitragen, weil diese sodann ihren Fokus auf die Geflüchteten legen können, die tatsächlich in die Gesellschaft zu integrieren sind. 

d. Die Errichtung von Landesübergangseinrichtungen für Menschen, bei denen die Ausreisepflicht aufgrund von tatsächlichen oder rechtlichen Vollzugshindernissen nicht umsetzbar ist, ist zu erwägen. Sofern dort freiwillig Qualifikationskurse besucht werden können, um von dort aus eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung außerhalb der Einrichtung aufzunehmen und sich damit ggf. über eine Beschäftigungs- oder Ausbildungsduldung die Chance auf ein Bleiberecht erarbeiten zu können, stellt dies für die dort aufzunehmenden Personen eine Verbesserung gegenüber den bisher entstehenden Situationen dar und führt zugleich zu einer Entlastung der Kommunen.In den Landesübergangseinrichtungen ist auch die Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche zu verstärken 

e. Die Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen sollte direkt aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Landesverantwortung erfolgen. 

f. Ferner sollte erwogen werden, die Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) so zu erweitern, dass diese auch für Insassen von Haft- und Gewahrsamseinrichtungen sowie für Ausweisungsverfahren zuständig wird. Das Land sollte in diesem Bereich mehr Verantwortung übernehmen. Eine zentralisierte Bearbeitung von Haft- und Gewahrsamsfällen kann dazu beitragen, dass Rückführungen von Menschen ohne Bleibeperspektive schneller bewerkstelligt und die Ausländerbehörden durch wegfallende zeitaufwendige Abstimmungsprozesse entlastet werden.

g. Für eine geordnete Migration und besser funktionierende Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber durch das Land ist es von Bedeutung, dass Deutschland mit sicheren Herkunftsstaaten Abkommen schließt, die Rückführungen in der Praxis erleichtern. 

 

Hier finden Sie das Positionspapier zum Download.

 

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