Digitalisierung im Koalitionsvertrag des Landes Berlin Bundeshauptstadt will nicht mehr Schlusslicht sein

Ein Gastbeitrag von Franz-Reinhard Habbel 4 min Lesedauer

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In Berlin regiert nach der erzwungenen Neuwahl nun eine große Koalition. Unser langjähriger Autor Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) a. D., hat den Koalitionsvertrag daraufhin durchleuchtet, was CDU und SPD bei eGovernment und Verwaltungsdigitalisierung anders machen wollen.

Die neue Koalition macht das Thema digitale Verwaltung zu einem der Schwerpunkte ihrer Arbeit. Die Probleme bei der Terminvereinbarung mit der Verwaltung sollen schon bald der Vergangenheit angehören
Die neue Koalition macht das Thema digitale Verwaltung zu einem der Schwerpunkte ihrer Arbeit. Die Probleme bei der Terminvereinbarung mit der Verwaltung sollen schon bald der Vergangenheit angehören
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Schon vor den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD in Berlin war klar, dass im Zentrum der politischen Arbeit der neuen Koalition auch die funktionierende Verwaltung und damit das Thema Digitalisierung steht. Sieben von insgesamt 136 Seiten widmet der Vertrag gleich zu Beginn dem Thema Funktionierende Verwaltung. Dort heißt es: „Unsere Stadt braucht eine zukunftsweisende und lernende Verwaltung, die agil handelt und resilient aufgestellt ist. Deshalb ist es notwendig, die grundlegende Reform der Berliner Verwaltung zügig voranzutreiben – für eine auf allen Ebenen funktionierende, zukunfts- und handlungsfähige Stadt.“

Dabei sollen nicht die Bürgerinnen und Bürger die Verwaltung suchen, sondern die Verwaltung ihnen und der Wirtschaft zeigen, wo die Dienstleistungen angeboten werden. Auch räumlich will man neue Wege gehen und „Verwaltungssitze in die Kieze und Einkaufsstraßen hinein entwickeln“. Der Koalitionsvertrag wird schnell konkret und gibt u.a. vor, die Registermodernisierung umgehend umzusetzen, die Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken auf Grundlage des vorhandenen Eckpunktepapiers zur Verwaltungsreform anzugehen. Es sollen eindeutige Verantwortlichkeiten und eine klare Aufgabenverteilung zwischen Senats- und Bezirksebene festgelegt sowie verbindliche und effektive Mechanismen gesamtstädtischer Steuerung gesetzlich verankert werden, um berlinweit einheitliche Prozesse und Leistungsstandards zu erreichen, beispielsweise im Rahmen einer Fachaufsicht des Senats.

Mit Blick aufs Personal

Nicht technische Überlegungen stehen im Vordergrund, sondern der Blick auf das Personal. Eingeführt werden soll ein modernes Personalmanagement verbunden mit einer gezielten Personalgewinnung und (Weiter-) Entwicklung von Führungs- und Nachwuchskräften. Um das Arbeitsumfeld zu verbessern, sollen Raumkonzepte für gemeinsames Arbeiten und Co-Working-Spaces umgesetzt werden.

Mit dem Ziel der Entbürokratisierung und Beschleunigung wird die Anwendung von Genehmigungsfiktionen geprüft. Die Koalition wird schnellstmöglich ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild einführen und dabei nur den Bereich Verfassungsschutz aus dem Geltungsbereich herausnehmen. Dabei werden die hohen Standards des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes erhalten und ein umfassenden Rahmen für die Leitlinie „Open by default“ für die öffentlichen Daten geschaffen werden.

Die Einführung von neuen Verwaltungsvorschriften und -regeln soll sich am Grundsatz besserer Rechtssetzung und am One-in-One-out-Verfahren orientieren. Ziel ist es, den Anstieg von Belastungen dauerhaft zu begrenzen, ohne politisch gewollte Maßnahmen zu behindern.

Kein Stau mehr im Bürgeramt

Die Koalition will das Umsetzungsdefizit bei digitalen Bürgerdienstleistungen beenden und die Möglichkeit der Nutzung von Online-Anträgen über das Service-Portal Berlin ausbauen. Aufgesetzt werden sollen Sprint-Programme, um die wichtigsten Dienstleistungen, wie Wohnsitzanmeldung oder Anzeige von Geburt und Sterbefall, zu steuern. Zusätzlich soll ein „digitales Bürgeramt der Zukunft“ erprobt werden. Die digitale Präsenz Berlin soll über einen gemeinsamen Internetauftritt verbessert werden. Eingesetzt werden sollen auch Chat-Bots.

Bemerkenswert ist das eindeutige Bekenntnis, in den Bereichen der schnelleren Modernisierung und Digitalisierung auf eine umfassende und leichtere Zusammenarbeit mit Externen angewiesen zu sein. Gegründet werden soll ein GovTech Campus Berlin als integraler Bestandteil des GovTech Campus Deutschland, um die die Zusammenarbeit der Berliner KMU und Start-Up-Szene mit der Berliner Verwaltung zu erleichtern und intensivieren. Erwähnt wird auch die Notwendigkeit der Umsetzung der Smart City Strategie „Gemeinsam Digital: Berlin“.

Die Koalition will den Kulturwandel der Verwaltung fördern und dafür ressort- und ebenenübergreifendes Arbeiten sowie den fachlichen und personellen Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren etablieren. Auch das agile Arbeiten soll fester Bestandteil in der Berliner Verwaltung werden. Dafür werden die Führungskräfte in die Verantwortung genommen. Erarbeitet werden soll ein neues Leitbild für Führungskräfte. Durch ein einheitliches Vorgehensmodell und den Einsatz moderner Werkzeuge und Methoden sollen Vorhaben künftig schneller, transparenter und bedarfsgerechter umgesetzt werden. Ein neues Digitalgesetz soll das bisherige eGovernment-Gesetz Berlins ablösen und die Aufgaben der zuständigen Gremien neu ordnen.

Die eAkte soll kommen – endlich

Spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode will man die eAkte eingeführt haben. Eingeführt werden soll auch ein Digitalcheck sowie ein Datenschutzcockpit, damit jede Bürgerin und jeder Bürger jederzeit sehen kann, welcher Teil der Verwaltung aus welchem Grund aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage auf seine/ihre persönlichen Daten zugegriffen hat.

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Gegründet werden soll für die gesamte Berliner Verwaltung ein „Berlin DataHub“, um ein neues Datenmanagement einschließlich Open-Data zur Verfügung zu stellen. Erarbeitet werden soll auch eine Multi-Cloud-Strategie. Künftige Basisanwendungen sollen cloudbasiert zur Verfügung gestellt werden.

Die Einführung von KI-gestützten Entlastungsmaßnahmen werden mit Unterstützung von externen Expertinnen und Experten in den Fokus genommen. Bei der Automatisierung von Verwaltungshandeln mittels Algorithmen setzt man auf die hohe ethische Verantwortung ungewollte Auswirkungen zu vermeiden.

Fazit

Berlin ist in der Digitalisierung der Verwaltung weit zurück. Der Koalitionsvertrag will dies ändern, in dem Maßnahmen vorgesehen werden, die die Basisdefizite, wie zum Beispiel bei der eAkte, beseitigen sollen. Der Koalitionsvertrag lässt allerdings einen ambitionierten Einsatz digitaler Instrumente zur Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimaschutz, vermissen. Die Möglichkeiten, zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz, Verwaltungsverfahren zu automatisieren, damit zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird, wenn überhaupt, nur zaghaft angegangen. Gleiches gilt für die umfassende Nutzung von Daten zur Steuerung von Politiken. Von einer antragsbezogenen hin zu einer vorgangsbezogenen Verwaltung, ist nicht die Rede. Hier hätten Zeichen gesetzt werden müssen. Bleibt zu hoffen, dass in der verbleibenden Wahlperiode endlich die digitalen Basics umgesetzt werden, um dann schnell ein neues digitales Berlin zu positionieren. Kurz um zum Untertitel des Koalitionsvertrages: Ein Aufbruch für die Stadt im Bereich Digitalisierung ein zaghaftes ja, eine Koalition der Erneuerung, aber eher nicht.

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