Fachkräfte für heute und morgen

25 Apr
Dienstag, 25. April 2023
In einer Sondersitzung mit Fachtagung hat der Ausschuss für Soziales und Integration des Hessischen Städtetages Positionen zur Fachkraftsicherung verabschiedet.

Auf Einladung des Vorsitzenden des Ausschusses für Soziales und Integration des Hessischen Städtetages sind rund 40 Teilnehmer des Ausschusses und aus der Verwaltung der Mitgliedstädte sowie Gäste aus Land, Kirchen und Institutionen nach Hanau gekommen.

Nach einer umfassenden Darstellung der gegenwärtigen Zahlen und Handlungsfelder durch Frau Dr. Larsen (IWAK, Goethe-Universität, Frankfurt am Main) und der Vorstellung eines erfolgreichen Projektes "Sozial integriert" aus Kassel, diskutierten die Teilnehmer und verabschiedeten die folgenden Positionen:

 

"Fachkräfte für Heute und Morgen"

Hanauer Positionen des Ausschusses für Soziales und Integration des Hessischen Städtetages

Arbeitsgruppen auf Bundes- und Landesebene für neue Fachkräfte hat es genug gegeben, jetzt müssen endlich Taten folgen.

Im Zentrum sozialer Dienstleistungen stehen individuelle und kaum standardisierte, in der Regel immaterielle Interaktionen, deren Angebot und Nachfrage meist standortgebunden zusammenfallen. Deswegen ist eine bedarfsgerechte Anzahl qualifizierter Menschen für diese Arbeit unverzichtbar.

Dazu bekräftigt der Ausschuss für Soziales und Integration des Hessischen Städtetages seine Positionen und mahnt folgende Maßnahmen an:

 

Bildung, Ausbildung, Hochschulen

1.     Es braucht einen neuen konsequent auf Talentförderung statt Selektion ausgerichteten Blick auf unser Bildungssystem in allen Qualifikationsstufen. Es braucht eine lückenlose Bildungskette von der Frühförderung bis zu nachholender Förderung, Weiterbildung und Umschulung. Dies gilt ausdrücklich auch für Menschen mit Beeinträchtigungen.

2.     Die Quoten der Schulabgänger ohne Abschluss sowie der Ausbildungs- und Studienabbrecher sind durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu verringern.

3.     Die Inhalte des Unterrichts in allen Schulen (Curricula) müssen dringend auf die heutigen Bedarfe, Bedürfnisse und Lebenswirklichkeiten überprüft und entsprechend angepasst werden. In den Schulen müssen junge Menschen die Bandbreite der möglichen Berufsfelder durch Praktika und praxisnahen Unterricht kennenlernen können.

4.     Berufsorientierung und Berufsberatung der unterschiedlichen Rechtskreise (HSchulG, SGB II, SGB III, SGB VIII, HWBG u. w.) sind zu verstärken und aufeinander abzustimmen. Alibi-Praktika müssen der Vergangenheit angehören.

5.     In Hessen sind von Seiten des Landes sechs Mal jährlich Berufs- / Jobmessen abzuhalten, auf denen sich junge Menschen erlebnisreich informieren können.

6.     Die duale Ausbildung zur Verzahnung von Theorie und Praxis ist in allen Berufszweigen flächendeckend einzuführen. Jegliche Berufsausbildung ist bis zum bestmöglichsten Abschluss ohne Schulgeld, Ausbildungsbeiträge oder ähnliches anzubieten. ÖPNV-freie Fahrt bis zum Berufsabschluss und Wegfall der Drei-Kilometer-Regelung.

7.     Es ist eine Öffnung und Erweiterung der Ausbildungs- und Studienkapazitäten im sozialen Bereich und eine engere Verzahnung von Fachhochschulen und Praxiseinrichtungen erforderlich. Dies setzt auch die Qualifizierung und Vorhaltung ausreichenden Lehr- und Ausbildungspersonals voraus.

8.     Erleichterung des Zugangs und Übergangs für Studienabbrecher in soziale Berufe durch aufsuchende, niedrigschwellige Beratung und Information von Arbeitsagenturen, sozialen Trägern und anderen Stellen an den Hochschulen.

 

Außerschulischer und non-formaler Bildungsbereich

9.     Die außerschulische Jugendbildung ist entsprechend ebenso zu stärken. Auch sie trägt durch ihre Angebote zur Selbstfindung, Eigenerfahrung, Kreativität und Verselbständigung junger Menschen in nicht zu unterschätzender Weise bei.

10.  Die Angebote der Landeszentrale für politische Bildung sind auszuweiten und mit den Inhalten schulischer und außerschulischer Bildung verstärkt zu verknüpfen.

11.  Die Weiterbildungsinstitutionen sind insbesondere in ihren berufsbegleitenden, berufsqualifizierenden und demokratiebildenden Angeboten (digital wie analog) zu stärken.

12.  Ehrenamt öffnet ebenso Türen für eine Berufswahl. Vereine, freiwillige Feuerwehren und Organisationen sind daher bei ihrer Anwerbung von Menschen für das Ehrenamt in geeigneter Weise zu unterstützen. Unbürokratische Fördermöglichkeiten sind zu schaffen, bürokratische Hürden abzubauen. Junge Menschen sollten stärker zum Beispiel zur Teilnahme am freiwilligen sozialen Schuljahr ermuntert und entsprechend informiert und gefördert werden.

13.  Ein verpflichtendes „Jahr für die Gesellschaft“ ist nach den Schulabschlüssen einzuführen. In Behörden, soziale Organisationen, Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und anderen Stellen können junge Menschen an wichtige Berufsfelder herangeführt werden und sich ausprobieren.

 

Digitalisierung

14.  Deutschland als eines der am stärksten vom demographischen Wandel betroffenen Länder braucht dringend mehr Tempo bei der Digitalisierung öffentlicher und sozialer Dienstleistungen.

15.  Ziel muss eine arbeitssparende, nutzerfreundliche und medienbruchfreie Ende-zu-Ende-Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse im öffentlichen und sozialen Sektor sein. Dies erfordert ein stringent aufgestelltes ganzheitlich denkendes Personal,- Organisations- und Digitalisierungsmanagement mit dem Ziel Arbeitsressourcen zugunsten der konkreten Dienstleistung an den Kunden und Klienten umzuverteilen.

16.  Ein Digitalisierungscheck zunächst für alle neuen Rechts- und Verwaltungsvorschriften muss schnellstmöglich auf Bundes- und Landesebene Pflicht werden!

 

Priorisierung und krisenfeste Strukturen

17.  Es gilt künftig abzuwägen, welche Leistungen (in der bisherigen Art und Weise) weiterhin angeboten werden müssen. Der Arbeitskräftemangel zwingt dazu, die Wirkung und Relevanz der Angebote und Leistungen der sozialen Arbeit auf den Prüfstand zu stellen und Prioritäten zu setzen.

18.  Die Auswirkungen neuer Gesetze u. a. Normen auf den Arbeitskräftemangel müssen künftig genauso offengelegt und diskutiert werden, wie der finanzielle Erfüllungsaufwand.

19.  In Zeiten wachsenden Arbeitskräftemangels ist ein kurzfristiger Aufbau von Zusatzkapazitäten (z.B. in Folge von Krisen) in den Sorgeberufen immer schwerer möglich. Es bedarf einer ausreichenden Vorhaltung essentieller sozialer Einrichtungen.

20.  Prävention ist weniger kosten- und arbeitskraftintensiv als Krisenintervention. Frühzeitige Vermeidung von Lebenskrisen junger Menschen und Familien ist faktisch aber eine Strategie zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels z.B. in der ambulanten und stationären Erziehungshilfe. Gleiches gilt für Strukturen der Selbsthilfe- und Gemeinwesenarbeit. Diese Strukturen sind zu stärken und zu verstetigen.

21.  Auch die Wirtschaft ist in der Pflicht für sorgende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Mit mobilem Arbeiten, Homeoffice, flexibilisierten Wahlarbeitszeiten können Bedingungen geschaffen werden, Familie und Beruf auch in verantwortungsvolleren Lebensphasen besser in Einklang bringen können.

 

Fachkräftegewinnung, Fachkräftequalifizierung und Bestandspflege

22.  Die Anwerbung von Fachkräften aus anderen EU-Ländern und dem Ausland muss durch eine Optimierung der Verfahren nach dem Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen schnell verbessert werden. Die derzeitige Dauer von neun Monaten bis zu einem Jahr ist kontraproduktiv. Die Anerkennungsberatung ist in diesem Zusammenhang zu stärken und zu optimieren.

23.  Hier bedarf es mindestens auch einer stringenten Sprach- und Arbeitsmarktintegration, die schon in den Herkunftsländern beginnt – gerade mit Blick auf die Arbeit in Sozialen Diensten.

24.  Die Einstellung von fachfremden, formal nicht vollständig qualifizierten oder weniger gut ausgebildeten Arbeitskräften ist eine unausweichliche Konsequenz, um die notwendigen Angebote trotz Fachkräftemangel aufrecht zu erhalten. Hierzu sind zur Qualitätssicherung einstiegsbegleitende Qualifizierungen, Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten sowie ein bedarfsgerechtes und zielgenaues Coaching verstärkt erforderlich und als steigender Personal- und Kostenfaktor anzuerkennen. Das Land Hessen kann hier mit einer gezielten Finanzierung entsprechende Projekte im Rahmen einer zukunftsweisende Arbeitsmarktförderung initiieren und zur Verstetigung und Multiplikation beispielgebender Projekte beitragen.  

25.  Fachbezogene und/oder regionale Fachkräftenetzwerke können ein Instrument sein, Beschäftigte wenn schon nicht bei einem Arbeitsgeber dann zumindest in der Branche oder Region zu halten.

26.  In Verbindung mit Bildungseinrichtungen müssen vermehrt attraktive Quereinsteigermodelle geschaffen werden, um brachliegende Arbeitsressourcen zu erschließen. Dies setzt allerdings existenzsichernde Entlohnung der Ausbildung voraus und bestehende Tarifverträge müssen auf ihre Attraktivität für Quereinsteiger geprüft werden.

27.  Bestandspflege, Bindung der Mitarbeitenden und Stärkung der Arbeitszufriedenheit werden zentrale Kriterien betrieblicher Personalpolitik. Eine ausreichende Personalausstattung ist aber ein wesentlicher Faktor für Arbeitszufriedenheit, gute Arbeit, Schutz vor Überforderung und niedrige Krankenstände.

28.  Älteren Mitarbeitenden müssen Wege geöffnet werden, auf freiwilliger Basis länger im Beruf zu bleiben, z.B. durch Entlastung von konkreter operativer Tätigkeit und Auftrag zur Weitergabe ihres Erfahrungsschatzes. Auch Steuer-, Tarif- und Dienstrecht sind auf Hemmnisse zur (zeitreduzierten) Weiterbeschäftigung im Alter zu prüfen. Altersgeeignete Arbeitsbedingungen müssen geschaffen/gesichert werden (Gesundheit am Arbeitsplatz, Personalschlüssel, Arbeitszeitmodelle, Arbeitsplatzausstattung, Bezahlung etc.).

29.  Zur Führung multiprofessioneller und diverser Teams in der sozialen Arbeit müssen auch Führungskräfte qualifiziert werden.

30.  Knappe Güter werden teurer und dies umso mehr, je schlechter sie substituierbar sind. Diesen Prozess sollten die Kostenträger der sozialen Arbeit und die Tarifpartner durch einen strukturierten konstruktiven Dialog begleiten.

 

 

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