Chinesische Partnerstädte :
„Hinter den Partnerschaften steht eine größere Strategie“

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Düsseldorf hat die Partnerschaft mit Moskau wegen des Kriegs auf Eis gelegt, das Schild wurde abmontiert. Nun werden auch Bedenken gegen chinesische Partnerstädte laut.
Kiel will seine Städtepartnerschaft mit Qingdao ausweiten. An dem Vorhaben gibt es reichlich Kritik. Die China-Forscherin Mareike Ohlberg sagt, Peking nutze Kommunen, um die Bundesregierung unter Druck zu setzen.
Die Stadt Kiel hat angekündigt, eine Partnerschaft mit der chinesischen Stadt Qingdao ausbauen zu wollen. Die Ratsversammlung will eine Zusammenarbeit prüfen, etwa beim Meeresschutz. Bislang kooperieren die Städte nur beim Segelsport. Welche Strategie verfolgt Peking mit den Städtepartnerschaften in Deutschland?

In Deutschland sind Städtepartnerschaften eine Sache der Städte. In China ist das System viel, viel stärker zentralisiert. Die chinesischen Städte stehen im dauerhaften Austausch mit zentralen Stellen und können nicht in Eigenregie über Städtepartnerschaften entscheiden. Mit solchen Partnerschaften verfolgt China eine begleitende Strategie, um seinen politischen Einfluss ausweiten zu können. Und gerade in Ländern wie Deutschland, wo China etwa bei der Bundesregierung mehr und mehr auf Widerstand stößt, werden solche Partnerschaften genutzt, um Unterstützung auf lokaler Ebene zu generieren und teilweise auch Druck aufzubauen auf die nationalen Regierungen.

Welches Ziel verfolgt Peking damit?

Das chinesische Idiom für diese Strategie lautet „das Land nutzen, um die Stadt zu bezwingen“. Damit ist gemeint, dass man kleinere, weniger mächtige Akteure nutzt, um den größeren, mächtigeren Akteur zu umzingeln und letztlich politisch zu überwältigen. Die Strategie ist nicht neu. Die Kommunistische Partei wendet solche Methoden schon seit den dreißiger Jahren an. Nicht alles, was auf lokaler Ebene passiert, ist grundsätzlich böse. Es gibt viele legitime und sinnvolle Austauschformate. Aber deutsche Städte müssen sich eben bewusst sein, dass hinter den Partnerschaften an sich eine größere Strategie steht, die auf chinesischer Seite mit einer Koordination betrieben wird, die auf deutscher Seite fehlt.

Mareike Ohlberg ist Senior Fellow im Asienprogramm des Global Marshall Fund. Zuvor war sie am Mercator Institute for China Studies (MERICS) tätig. Sie beschäftigt sich mit der chinesischen Außenpolitik, der Medien- und Digitalpolitik sowie den Einflusskampagnen der Kommunistischen Partei in Europa.
Mareike Ohlberg ist Senior Fellow im Asienprogramm des Global Marshall Fund. Zuvor war sie am Mercator Institute for China Studies (MERICS) tätig. Sie beschäftigt sich mit der chinesischen Außenpolitik, der Medien- und Digitalpolitik sowie den Einflusskampagnen der Kommunistischen Partei in Europa.German Marshall Fund
Welche Risiken bergen die Städtepartnerschaften?

Auf deutscher Seite treten oftmals Akteure, die relativ wenig Erfahrung mit dem Land haben, in direkten Kontakt mit China und können deswegen vieles nicht gleich einordnen. Hinzu kommt, dass sie vor allen Dingen lokale Interessen im Blick haben und nicht unbedingt Sicherheitsaspekte. Das Problem ist, dass dadurch Entscheidungen getroffen werden, die vielleicht im kurzfristigen Interesse auf lokaler Ebene sind, aber möglicherweise nicht im langfristigen Interesse Deutschlands. Während etwa auf Bundesebene über chinesische Komponenten im 5G-Netz diskutiert wurde, haben sich chinesische Firmen wie Huawei mit konkreten Angeboten an deutsche Städte gewandt. Wenn China auf nationaler Ebene nicht weiterkommt, werden auf lokaler Ebene Druck aufgebaut und Tatsachen geschaffen.

Was bedeutet dieser Druck für die Städte?

Es gibt Fälle, in denen chinesische Stellen versucht haben, Einfluss zu nehmen auf konkrete Vorhaben deutscher Städte. Etwa, um eine Städtepartnerschaft mit Taiwan zu unterbinden. Da kommt dann häufig vom chinesischen Konsulat oder der Botschaft der Hinweis auf die guten Beziehungen, die man ansonsten gefährden würde. Wir haben viel zu lange nicht auf diese Problematik geschaut und jetzt haben wir keinen guten Überblick, was alles in den Städten und Kommunen mit China passiert.

Würden Sie einer Kommune davon abraten, eine Partnerschaft mit einer chinesischen Stadt einzugehen?

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Städtepartnerschaften. Das sind schon gute Kanäle, um in Kontakt zu kommen. Doch eine Partnerschaft muss vorbereitet werden. Die Stadt muss verstehen, dass die andere Seite zentralistischer aufgestellt ist, dass man auf chinesischer Seite sehr viel mehr Ressourcen hat. Die meisten chinesischen Städte haben eine viel größere internationale Abteilung. Bislang ist es oft so, dass von chinesischer Seite schlicht mehr Vorbereitung stattfindet und dass dementsprechend die Agenda auch häufig von China bestimmt wird. Dessen müssen sich deutsche Städte bewusst sein. Und sie müssen sich genau überlegen, wie sie sicherstellen, dass die Partnerschaft keine einseitige Sache wird. Wir brauchen deutlich mehr Formate, in denen sich die Kommunen zu ihrer Zusammenarbeit mit China austauschen können. Dort, wo das bereits passiert, stellen die Städte und Gemeinden fest, dass sie ganz ähnliche Probleme haben. Besonders, wenn sie irgendwas machen, was der chinesischen Seite nicht gefällt. Dass dann von der Botschaft, vom Konsulat oder direkt von den chinesischen Partnern interveniert wird. Da kann es schon helfen, sich eine gemeinsame Strategie zu überlegen, wie man dem entgegentreten will.

Ist auch der Bund gefragt, die Kommunen besser über die Risiken von Städtepartnerschaften zu informieren?

Ich glaube, viele Kommunen und Städte würden sich zentrale Auskunfteien wünschen, wo sie Informationen bekommen, zu riskanten Bereichen in der Zusammenarbeit mit China und auch ein besseres Verständnis davon, wie die politischen Strukturen auf chinesischer Seite sind. Auf Bundesebene ist dieses Bewusstsein, dieses Wissen, mittlerweile an vielen Stellen vorhanden. Genau das hat dazu geführt, dass mehr über die Zusammenarbeit mit China gesprochen wurde. Aber dieses Wissen muss jetzt noch an die Frauen und Männer gebracht werden, die in den Kommunen entscheiden. Als Stadt oder Gemeinde kann man es in der derzeitigen Lage nicht im Alleingang schaffen, das perfekte Modell für eine Partnerschaft mit einer chinesischen Stadt aufzubauen.