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Versuch in Borgentreich

Moderne Technik gegen Jugendliche - Wie Städte in NRW Spielplätze überwachen

Wo Jugendliche sich treffen, wird es auch mal laut - oft zum Ärger der Anwohner. Einige Städte greifen deshalb zu härteren Maßnahmen - auch in OWL.

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Ein Schild mit der Aufschrift "Radarüberwachung" hängt in Gelsenkirchen an einem Spielplatz. | © dpa

Ein Schild mit der Aufschrift "Radarüberwachung" hängt in Gelsenkirchen an einem Spielplatz. | © dpa

07.05.2023 | 07.05.2023, 08:32

Gelsenkirchen/Wesel (dpa). Radar-Überwachung auf Spielplätzen, nervtötende Ultraschall-Töne auf Schulhöfen: Um Jugendliche abends von problembehafteten Treffpunkten zu vertreiben, experimentieren einige Städte in Nordrhein-Westfalen mit ungewöhnlichen Hilfsmitteln. Es geht darum, gegen Vandalismus und Ruhestörungen vorzugehen. Aber ist es angemessen, dafür alle jungen Leute von einigen öffentlichen Plätzen zu vertreiben? Familienministerin Josefine Paul (Grüne) ist skeptisch, sie ruft zu mehr Dialog auf.

Mit einigem Stolz hat die Stadt Gelsenkirchen in diesem Frühjahr ihre neue Radaranlage vorgestellt, die einen Spielplatz und mehrere Schulhöfe überwacht. Wenn sich dort nach 20 Uhr Jugendliche treffen, schlägt die Technik in der Leitstelle des Ordnungsamts Alarm. Die Beamten rücken aus und schicken die Jugendlichen weg. Auf einem Spielplatz kann die Leitstelle sogar aus der Ferne ein Blinklicht einschalten, so soll es ungemütlich gemacht werden für die jungen Leute.

Noch simpler funktionieren die sogenannten Mosquito-Anlagen, deren Einsatz in mehreren NRW-Städten von der Satiresendung «ZDF Magazin Royale» aufgedeckt wurde. Die Geräte produzieren abends einen durchdringenden Ultraschall-Ton, der laut Hersteller nur von jungen Menschen wahrgenommen wird. So wirke das Gerät zielgerichtet gegen «antisoziales Verhalten von herumlungernden Jugendlichen», heißt es in einer Werbebroschüre.

Geräte auch in OWL im Einsatz

Sieben solcher Geräte bestellte die Stadt Kamp-Lintfort. Wesel und die ostwestfälische Kleinstadt Borgentreich orderten jeweils eins. Als das herauskam, fielen die Reaktionen teils heftig aus: «Ein menschenverachtendes Gerät» sei das, schimpfte der Weseler SPD-Fraktionschef Ludger Hovest in der «NRZ». Kamp-Lintfort und Wesel schalteten die Geräte sofort nach dem ZDF-Bericht ab, Borgentreich hingegen hält am Einsatz der Ultraschall-Technik fest.

In jedem Fall trifft die Debatte um technische Maßnahmen gegen Jugendliche einen wunden Punkt. «Es ist immer ein Abwägen», sagte Gelsenkirchens Stadtsprecher Martin Schulmann. «Als Ordnungsbehörde haben wir die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Nachbarn ungestört schlafen können.» Auch Glasscherben auf einem Spielplatz und eingeschlagene Scheiben nach einem nächtlichen Gelage auf einem Schulhof könne die Stadt nicht einfach tolerieren.

Kamp-Lintfort rechtfertigte den Einsatz der Ultraschall-Anlagen ebenfalls. Sie seien nur dort eingesetzt worden, wo es an Treffpunkten von Jugendlichen regelmäßig Vandalismus und sogar Brandstiftungen gegeben habe.

Fehlende Plätze für Jugendliche

Familienministerin Josefine Paul sieht den Trend trotzdem skeptisch. «Das bloße Verdrängen Jugendlicher von öffentlichen Plätzen ist keine Lösung - im Gegenteil», sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Sie mit technischen Mitteln irgendwo zu vertreiben, sei schlicht «unangemessen». Paul dringt auf mehr Dialog. «Es gibt gute Handlungsansätze aus der Jugendarbeit, wie beispielsweise Streetwork oder die Beteiligung von räumlich naheliegenden Jugendeinrichtungen. Junge Menschen haben eigene Interessen und sie wollen beteiligt werden», sagte die Ministerin.

«Die treffen sich ja nicht mit dem Ziel, zu stören», sagte auch Maja Tölke, Vorsitzende des Landesjugendrings NRW. «Aber oft ist es für Jugendliche gar nicht so einfach, einen Ort zu finden, an dem sie sich in einer Gruppe treffen können, Musik hören, rauchen und Spaß haben - ohne dabei von Erwachsenen genervt zu werden, die sagen, das sei unangemessenes Verhalten.»

Das Argument lassen viele Verantwortliche in den Kommunen nicht gelten. «Es gibt ja eine ganze Menge Angebote. Viele Jugendliche wollen aber gar nicht da hingehen, wo die Stadt etwas anbietet und wo vielleicht ein Sozialarbeiter ein bisschen nach dem Rechten sieht», sagte der Gelsenkirchener Stadtsprecher Schulmann. Hinzu komme, dass es in der Jugendarbeit an Geld und Personal fehle. «Wir haben teilweise sehr gute Ideen, wir haben aber viel zu wenig Leute.»

In diesem Sommer wird Gelsenkirchen deshalb zusätzlich zu den Projekten in der Jugendarbeit die Radar-Überwachung von Spielplätzen und Schulhöfen testen und Jugendliche dort nach 20 Uhr wegschicken. Es sei ein Pilotprojekt, das auch von anderen Städten sehr interessiert beobachtet werde, teilte die Stadt mit. Die Probleme seien schließlich überall die gleichen.


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