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Interview

Nach 100 Tagen: Jüngste Bürgermeisterin in BaWü zieht ein Fazit

Ostrach / Lesedauer: 5 min

Seit 1. September ist Lena Burth als Ostrachs Bürgermeisterin im Amt. Die 26-Jährige will die Gemeinde digitalisieren und attraktiver für die Jugend machen.
Veröffentlicht:10.12.2023, 05:00

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Als dritte von insgesamt sechs Bewerbern ist Lena Burth im April ins Rennen um die Nachfolge von Bürgermeister Christoph Schulz eingestiegen. In einem spannenden zweiten Wahlgang holte sie im Juli die Mehrheit. Nun ist sie seit 100 Tagen im Amt und sprach mit SZ-Redakteurin Julia Freyda über die Tagesordnungen im Gemeinderat, den Fortschritt ihrer angekündigten Vorhaben und Windkraft.

In den vergangenen 100 Tagen: Welche Zeit war für Sie die stressigste?

Eine gewisse Beanspruchung gibt es durch die vielen Termine. Die Tage waren bisher sehr abwechslungsreich.

Und welche war die schönste?

Die ersten zwei Wochen, weil ich da noch gänzlich festlegen konnte, welche Themen ich als Bürgermeisterin gleich zu Beginn bearbeiten werde. Da habe ich mich zum Beispiel intensiv mit den Rückstellungen beschäftigt, die sehr wichtig für die Eröffnungsbilanz und das Haushaltswesen der Gemeinde sind.

Beim Amtsantritt haben Sie angekündigt, den Dialog mit den Bürgern verbessern zu wollen. Sehen Sie da schon Fortschritte?

Ja, am Anfang der Gemeinderatssitzungen gibt es nun regelmäßig die Bürgerfrageviertelstunde. Außerdem gibt es den neuen Tagesordnungspunkt Mitteilungen, unter dem ich über wichtige Geschehnisse aus der Verwaltung berichte.

Auch eine Gemeinde-App ist schon in Arbeit, über die Bürger allgemeine Informationen erhalten und zum Beispiel auch den Veranstaltungskalender. Ganz aktuell haben wir es geschafft, dass das Mitteilungsblatt zu außergewöhnlichen Anlässen soweit möglich an alle Haushalte verteilt wird. Das erste Mal soll es zu Weihnachten klappen.

Sie haben in Ihrer Antrittsrede auch ein Jugendforum in Aussicht gestellt. Wie sieht es damit konkret aus?

Wir versuchen über die Regionalentwicklung Oberschwaben ein Pilotprojekt zu starten, wie es gerade in Altshausen stattfindet. Das würde bedeuten, dass wir eine Art Jugendwerkstatt machen, in der die Jugendlichen ihre Ideen und Wünsche äußern können.

Dritter Punkt der Agenda beim Amtsantritt: Die Digitalisierung der Verwaltung. Geht das voran?

Auch das läuft bereits. Wir richten momentan die digitale E-Akte in der Verwaltung ein. Die Finanzkasse arbeitet schon mit einem Programm, ab Januar finden Schulungen für die restlichen Mitarbeiter statt. Für den Bürger hat das noch keine direkten Auswirkungen. Aber durch das neue Digitalisierungsgesetz müssen wir zum Beispiel auch zukünftig Bauanträge elektronisch bearbeiten. Das beschleunigt zum Beispiel den Austausch mit dem Landratsamt und das gesamte Verfahren. Außerdem können wir so viel Papier sparen.

Gemessen an Ihren eigenen Ansprüchen, waren die vergangenen rund drei Monate erfolgreich?

Ich bin positiv überrascht von der Arbeit in der Kommunalverwaltung, weil sie viel flexibler und schneller als eine Landesverwaltung ist. Auch persönlich bin ich mit den Fortschritten zufrieden. In den vergangenen Sitzungen haben wir im Gemeinderat viele Themen vorangebracht.

Die ersten Sitzungen hatten eher magere Tagesordnungen. War es verlockend, mit seichten Themen anzufangen?

Das lag eher daran, dass umfangreiche Themen auch eine gute Vorbereitung benötigen.

In Ihrem Wahlkampf war auch von einem Kümmerer für den Kernort von Ostrach die Rede. Ist daraus schon etwas geworden?

Mein Amtsantritt war zu spät, um in der Hinsicht noch etwas für die nächste Kommunalwahl im Juni anzustoßen. Mit dem neuen Gemeinderat werde ich erörtern ob und wie wir das Thema umsetzen wollen.

Kurz vor Ausscheiden Ihres Amtsvorgängers wurde die Gemeinde zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt, weil Absprachen bei einem Grundstücksgeschäft versäumt wurden. Ist der Fall nun erledigt?

Der Fall ist intern im Gemeinderat und der Verwaltung noch in Beratung.

Also steht auch noch nicht fest, wer Strafe und Prozesskosten zahlt?

Auch das ist noch Teil der Beratung.

Wann ist mit Entscheidungen zu rechnen?

Wenn der Fall umfänglich abgeschlossen ist, kann ich mir vorstellen, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Gemeinderat eine Stellungnahme abgeben wird.

Aktuell drehen sich einige Diskussionen um einen möglichen Windpark in Richtung Pfullendorf. Die Gemeinde hat kaum Mitsprache, könnte aber durch Einnahmen profitieren. Wie stehen Sie dazu?

Der Kreis Sigmaringen trägt mit mehr als 60 Prozent der potenziellen Windvorranggebiete die Hauptlast des Regionalplans, davon sind mehr als 30 Prozent auf Ostracher Gebiet. Wir sind also besonders betroffen, haben auf unserer Fläche aber auch schon viel Kiesabbau, das zweitgrößte Moorgebiet in Oberschwaben und sind voraussichtlich bald ein Teil des Biosphärengebiets Oberschwaben.

Der Regionalverband rechnet mit rund 25.000 Euro pro Windrad im Jahr für die jeweilige Kommune. Wäre das nicht eine günstige Gelegenheit, die Gemeindekasse aufzubessern?

Das wäre eine gute Einnahmequelle, aber sie darf nicht in dieser Größenordnung zulasten der Bevölkerung oder des Landschaftsbildes sein.

Im kommenden Jahr steht die Kommunalwahl an. Auch der Gemeinderat dürfte sich damit verändern. Mit welchem Maß an Kontinuität und Wandel rechnen Sie dabei?

In die Wahl oder Kandidatensuche mische ich mich nicht ein. Sollten jedoch mögliche Kandidaten Fragen zum Mandat haben, stehe ich für Informationsgespräche gerne zur Verfügung. Mein Wunsch ist aber ein breites Spektrum an Bewerbern und vor allem auch Bewerberinnen. Ein größerer Frauenanteil im Gemeinderat würde mich freuen.

Für den Kreistag haben Sie sich für eine Kandidatur auf der CDU-Liste entschieden. Ist damit auch ein Parteibuch verbunden?

Nein, ich darf als Nicht-Mitglied auf der Liste kandidieren und werde das auch so tun. Ich habe schon im Wahlkampf gesagt, dass für mich bei der Kandidatur für den Kreistag die CDU oder die Freien Wähler infrage kämen. Aktuell fühle ich mich der CDU politisch näher.

Sie sind weiterhin die jüngste hauptamtliche Bürgermeisterin Deutschlands. Hat das außer in der medialen Aufmerksamkeit am Anfang für Sie noch eine Rolle gespielt?

Nein, anfangs war das mediale Interesse in der Hinsicht groß, aber ist auch schnell abgeklungen.

Sie sind in Ostrach aufgewachsen und haben weiterhin auch Ihren privaten Lebensmittelpunkt hier. Lässt sich das mit dem Amt als Bürgermeisterin gut vereinbaren?

Das lässt sich gut vereinbaren. Aber ich schaffe es nur noch selten in die Musikprobe. Das Vereinsleben hat sehr zurückstecken müssen, weil ich viele Termine an Abenden und Wochenenden habe.