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Umfrage zu Digitalisierung an Schulen Deutschland löst sich (langsam) aus der Kreidezeit

»Unwürdig für das Jahr 2024«, schimpft der Verband Bildung und Erziehung: Laut einer Umfrage haben zehn Prozent der Schulen noch keine Klassensätze mit digitalen Geräten – und der Digitalpakt läuft erst mal aus.
Digital lernen: Noch keine Selbstverständlichkeit in allen Klassenzimmern (Symbolbild)

Digital lernen: Noch keine Selbstverständlichkeit in allen Klassenzimmern (Symbolbild)

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Tageslichtprojektor statt Smartboard, stabiles Netz: Fehlanzeige. Deutschlands Lehrerinnen und Lehrer klagen immer wieder über die mangelhafte digitale Ausstattung an ihren Schulen. Statistisch betrachtet sind immerhin Fortschritte zu verzeichnen: Es geht voran, allerdings sehr langsam, das ist die Quintessenz einer Forsa-Umfrage unter mehr als 1300 Schulleitungen im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), die an diesem Montag vorgestellt wird.

So haben inzwischen 90 Prozent der Schulen zumindest für einen Teil der Schülerinnen und Schüler Klassensätze an Laptops, Tablet-PCs oder Smartphones zur Verfügung. Ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum Coronajahr 2020: Damals waren es nur 37 Prozent der Schulen.

»Unwürdig für das Jahr 2024«

Trotzdem ist die Lage aus Sicht von VBE-Chef Gerhard Brandt alles andere als zufriedenstellend: »Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist eklatant.« Während wissenschaftliche Empfehlungen darauf zielten, ab der weiterführenden Schule den Umgang mit künstlicher Intelligenz zu trainieren, stehe jede zehnte Schulleitung ohne Geräte da, kritisiert Brandt.

Die Lehrkraft müsse dann bestmöglich mit dem umgehen, was die Schüler selbst an Geräten mitbringen. Das sei »eine Zumutung, ineffektiv, fehleranfällig und unwürdig für das Jahr 2024«.

Ein Lichtblick aus Sicht des Lehrerverbandes: Mehr als die Hälfte der Schulleitungen schätzt, dass (fast) alle Lehrkräfte ihrer Schule an mindestens einer qualitativ angemessenen Fortbildung zum Einsatz digitaler Endgeräte im Unterricht teilgenommen haben. Damit sei der Anteil im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen.

61 Prozent der Schulleitungen gehen der Umfrage zufolge davon aus, dass Lehrkräfte, die kürzlich ihr Lehramtsstudium abgeschlossen haben, (sehr) gut auf den Einsatz digitaler Endgeräte im Unterricht vorbereitet sind. Im Vergleich zu vorigen Befragungen schätzen die Schulleitungen die digitale Kompetenz der jungen Kolleginnen und Kollegen inzwischen deutlich höher ein.

Die Digitalisierung von Deutschlands Schulen war lange Zeit äußerst schleppend vorangekommen; auch weil mehrere Jahre vergingen, bis sich Bund und Länder auf ein milliardenschweres Förderprogramm geeinigt hatten. Erst im Mai 2019 trat der sogenannte Digitalpakt in Kraft. Mit 5,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern sollten Schulen digitaler werden, Breitbandanschlüsse und Geräte erhalten. In der Pandemie wurde der Pakt noch einmal um 1,5 Milliarden Euro aufgestockt.

Doch Schulleitungen und Kommunen beklagten bürokratische Hürden. Zunächst wurde nur ein Bruchteil der Gelder abgerufen. Inzwischen fließen die Mittel deutlich besser ab. Der Forsa-Umfrage zufolge haben 90 Prozent der Schulleitungen bereits einen Antrag zur Förderung ihrer Schule mit Mitteln aus dem Digitalpakt gestellt. 78 Prozent dieser Schulen geben an, bereits Geld erhalten zu haben.

Die Digitalisierung der Schulen ist damit nicht abgeschlossen. Dreiviertel der Schulleitungen, die einen Antrag zur Förderung ihrer Schule mit Mitteln aus dem Digitalpakt gestellt haben, sagen, die erhaltenen Mittel seien für die digitale Infrastruktur und Ausstattungssituation noch nicht ausreichend. Sie bräuchten weitere Mittel. Ob und wann diese kommen könnten, ist in der aktuellen politischen Gemengelage allerdings unklar.

Städtetag warnt vor »Schuldigitalisierung nach Kassenlage«

Der bisherige Digitalpakt Schule läuft im Mai dieses Jahres aus. Einer Neuauflage, Digitalpakt 2.0., hatte die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag zwar zugesagt, doch im Haushaltsplan für 2024 sind – auch aufgrund des Spardrucks – keine Gelder dafür eingeplant.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bekräftigt, dass die Förderung 2025 kommen soll; aber unklar ist in welcher Höhe. Das Thema sorgt seit Monaten für Zwist zwischen Bund und Ländern. Städte und Kommunen treibt das Thema als Schulträger ebenfalls stark um.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, erklärte bei Table-Media: Das mehr als halbe Jahr Finanzierungslücke 2024, das sich abzeichne, »ist für uns bundesweit ein echtes Problem. Wenn in der Zeit ein Gerät kaputtgeht, werden wir es nicht ohne Weiteres ersetzen können. Wenn der Arbeitsvertrag eines IT-Administrators oder einer -Administratorin verlängert werden muss, werden wir das nicht unbedingt tun können«.

Gäbe es keinen zweiten Digitalpakt, müsse die Schulfinanzierung der Länder greifen, forderte Dedy. Diese sähen sich aber nicht immer in der Pflicht, für Digitalisierungskosten aufzukommen. Das hieße dann auch, dass die unterschiedliche Finanzausstattung der Städte über die Spielräume in der Bildung bestimmen würde. Dedy mahnte: »Das wären Bildung und Schuldigitalisierung nach Kassenlage.«

fok