Vom Projektorfilm zum Streaming – wie sich die Technik in den Schulen wandelt
Wie Technologien spezifische Tätigkeiten verändern, zeigt sich am Beispiel von Kreisbildstellen. Eine solche Einrichtung gab es bis in die Sechziger-Jahre auch im Kreis Brilon der später in den Hochsauerlandkreis aufging. Die Kreisbildstelle stellte den Schulen Filme, Diaserien und Begleitmaterialen für den Unterricht zur Verfügung. Geliefert wurden die Filme in der Regel vom 1962 gegründeten gemeinnützigen Institut für Weltkunde in Bildung und Forschung (WBF). Fast alle Schulen verfügten seit den sechziger Jahren über sog. Filmprojektoren. Das waren Geräte mit denen die Filme, meistens 16mm breit, mechanisch abgespielt wurden. Die Projektoren muss pfleglich behandelt werden, die lichtstarke Birne hielt nicht ewig und musste hin und wieder ausgetauscht werden. Manchmal gab es auch keinen direkten Ersatz und die Vorführung des Filmes fiel aus. Die Projektoren waren von Gewicht schwer, nicht einfach zu bedienen, deshalb gab es in vielen Schulen sog. Filmräume, die von den Klassen genutzt wurden. Das Zeigen von Filmen bedurfte einen gewissen logistischen Aufwand. Der Lehrer wählte den Film aus, klärten, ob der Filme in der Bildstelle vorhanden war, die Verwendungszeit wurde festgelegt, der Hausmeister holte den Film bei der Kreisbildstelle ab oder er wurde zu den Schulen in den kreisangehörigen Orten per Kurier oder per Paketpost zugestellt. Eine aufwendige Prozedur. Viele Filme waren nur als Einzelkopie vorhanden, sie mussten deshalb von den Lehrerinnen und Lehrern in der Kreisbildstelle vorbestellt werden. Die Kreisbildstelle war in der Stadt Brilon im Kreishaus in Zimmern unter dem Dach untergebracht. Mehrfach war ich dort, holte Filme ab und brachte sie zurück. Für mich unverständlich, die nicht leichten Filmrollen, die dort gelagert wurden, mussten bei der Ausleihe und Rückgabe immer wieder über mehrere Etagen transportiert werden.
Die Verwaltungskraft in der Bildstelle hatte auch die Aufgabe, die Filme bei der Rückgabe auf Beschädigungen zu überprüfen. Dazu gab es eine Maschine, mit der im Schnelldurchlauf von einer Seite auf die andere, ähnlich wie bei einem Tonbandgerät, gespult wurde. Mit seinen längst schwielig geworden Fingern prüfte er den Film auf etwaige Beschädigungen, besserte den Filmstreifen aus bzw. klebte ihn neu zusammen. Ein Aufwand, der heute nicht mehr vorstellbar ist. Natürlich kannte er durch seine langjährige Tätigkeit fast jeden Film und war ein wandelndes Lexikon für viele Pädagogen. Die Aufbewahrung der vielen Filmrollen, der logistische An- und Abtransport waren aufwendig, Raum- und Materialintensiv. Sicherlich gibt es von den mehr als 40.000 Schulen welche, die auch heute noch einen Projektor besitzen. Einige Lehrerinnen und Lehrer schätzen die besondere Atmosphäre, die ein Projektorfilm erzeugt, oder wollen den Schülerinnen und Schülern ein historisches Medium näherbringen. Manche Schulen verfügen auch über eine Sammlung von Projektorfilmen, die sie nicht einfach wegwerfen wollen.
Längst ist aus der früheren Kreisbildstelle im Sauerland ein Medienzentrum geworden, das audiovisuelle Materialien für Schulen bereitstellt. Dazu gehören zum Beispiel Filme, Dias, Tonbänder, CDs, DVDs oder Online-Medien. Auch hier zeigt sich ein weiter Wandel an.
Immer mehr Streaming-Dienste machen es den Lehrkräften einfach, Filme digital zu zeigen, ohne eine Medienzentrum bemühen zu müssen.
Früher waren Bildstellen die wichtigste Quelle für audiovisuelle Materialien im Unterricht, da es kaum andere Möglichkeiten gab, an solche Materialien zu kommen. Heute haben Lehrerinnen und Lehrer mehr Zugang zu audiovisuellen Medien, die sie selbst auswählen, herunterladen oder kaufen können. Moderne Bildstellen bzw. Medienzentren bieten daher nicht mehr nur Materialien an, sondern auch Beratung, Fortbildung und Unterstützung bei der Nutzung von Medien im Unterricht.
Die Medienzentren haben sich auch an die neuen Medien angepasst und bieten vermehrt digitale Formate an. Viele haben Online-Plattformen, auf denen Lehrkräfte Filme oder andere Medien ausleihen, streamen oder herunterladen können. Einige Zentren haben auch ihre analogen Bestände digitalisiert und archiviert, um sie zugänglicher zu machen.
Die Entwicklung bleibt nicht stehen. Auch die aktuellen Medienzentren unterliegen einem Veränderungsdruck. Es wird nicht lange dauern, bis Lehrkräfte künstliche Intelligenz nutzen werden, audiovisuelles Material mit auszuwählen. Ganz zu schweigen von den künftigen Möglichkeiten, nicht vorhandenes Filmmaterial individuell für den Unterricht – vielleicht gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler virtuell zu erstellen. Die Software dafür wird bald die Labore der Tech-Konzerne verlassen.
Public Consulting Rainer Ullrich
11moLieber Herr Habbel, ein wie immer sehr interessanter Beitrag von Ihnen. Ich könnte einen ähnlichen Artikel über die Veränderung der Bibliotheken schreiben, auch die haben durch die Digitalisierung eine völlig andere Funktion erhalten. Ich freue mich auf weiteren Input von Ihnen
Optimistin | Ressourcen & Umwelt | Bautechnik | Architektur | Öffentlichkeitsarbeit
11moDanke für diese „Zeitreise“. 🙋🏻♀️ Man vergisst manchmal, was für logistische Aufwände man früher in Kauf nehmen musste, um ein bisschen Abwechslung in den Unterricht zu bringen. Selbst in meiner Schulzeit war „Film gucken“ immer was ganz besonderes (manchmal dachte man auch nur, dass es eine Art selbst gewählte Freistunde für den Lehrer war 😉).