E-Paper
Tourismus

Brandenburgs Campingplätze auf dem Sprung ins digitale Zeitalter

In Brandenburg gibt es 180 Campingplätze.

In Brandenburg gibt es 180 Campingplätze.

Potsdam. Eines war Nadine Siemer immer klar: So wie ihre Eltern wollte sie einmal nie werden. Anstatt am Bantikower See bei Wusterhausen (Ostprignitz-Ruppin) Tag und Nacht auf dem familieneigenen Campingplatz zu schuften, hatte sie eher eine akademische Karriere im Blick. Sie studierte Forstwirtschaft, dann Unternehmenskommunikation, aber irgendwie war sie unzufrieden mit den sich dann bietenden Jobs.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Vor zwei Jahren kam sie doch nach Bantikow zurück – und übernahm den Laden der Eltern. „Und ich bin superzufrieden damit“, sagt die 45-Jährige. Die Unternehmerin arbeitet seitdem in einer Branche, die in Brandenburg seit Jahren boomt. Selbst die Corona-Jahre konnten ihr fast nichts anhaben.

Und im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der Übernachtungen auf märkischen Campingplätzen um satte 6,5 Prozent auf mehr als 1,5 Millionen. Zum Vergleich:Bundesweit registrierte die Branche mit 42,3 Millionen Übernachtungen ein Plus von 5,2 Prozent. Und auch das gesamte Übernachtungsgewerbe Brandenburgs – also Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen dazugerechnet – konnte der Campingwirtschaft im Land nicht das Wasser reichen. Die rund 14 Millionen Übernachtungen bedeuten lediglich eine Steigerung um 5,4 Prozent.

Nadine Siemer von Campingplatz Knattercamping in Bantikow

Nadine Siemer von Campingplatz Knattercamping in Bantikow

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Das sind fantastische Zahlen“, freute sich Christian Woronka, der Chef von Tourismus-Marketing Brandenburg (TMB) am Mittwoch bei der Vorstellung einer neuen Studie zur Lage der Campingwirtschaft im Land. Camping ist für ihn eine der großen Erfolgsgeschichten im märkischen Fremdenverkehr. Allein in den vergangenen zehn Jahren habe die Anzahl der Übernachtungen auf Campingplätzen um 60 Prozent zugenommen.

Dass ausgerechnet Camping bei immer mehr Leuten so gefragt ist, liege wohl an der zunehmenden Technisierung des Alltags und dem steigenden Stress in der Arbeitswelt, vermutet der Touristiker. „Die Leute haben ein starkes Bedürfnis nach Erholung in der Natur“, so Woronka.

Die meisten Besucher auf märkischen Campingplätzen kommen nach Angaben von Hendrik Fischer aus Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt – und aus Brandenburg selbst. Unter den ausländischen Gästen sind die Plätze vor allem bei Polen und Tschechen gefragt. „Wenn wir bedenken, dass die Branche 1990 bei Null angefangen hat, dann ist das eine großartige Entwicklung“, so der Staatssekretär im Potsdamer Wirtschaftsministerium.

Lesen Sie auch

Die vom Landesverband der Campingwirtschaft in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Branche weiterhin auf Erfolgskurs befindet. „Das Land der 3000 Seen“, so der SPD-Landtagsabgeordnete und Verbandspräsident Mike Bischoff werde immer mehr nachgefragt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Die von der Potsdamer Beratungsagentur QM3 hat 51 der 180 Camping-Unternehmen im Land untersucht. Die erhobenen Daten belegten zum Beispiel, dass die Campingwirtschaft im Land mittlerweile gut verdient. So sind die durchschnittlichen Erlöse pro Stellplatz zwischen 2012 und 2022 von 710 Euro auf 2345 Euro gestiegen. Grund dafür sind vor allem Investitionen in die Ausstattung der Plätze.

Das kann auch Nadine Siemer bestätigen. „Knatter Camping“ heißt der Platz, den sie nun in zweiter Generation betreibt. Als ihre Eltern das Gelände 1992 von der Gemeinde Wusterhausen übernahmen, hieß dort Camping einfach nur zelten, ohne Strom und Warmwasser.

Für die Bedürfnisse der meisten Touristen von heute undenkbar. In Eigenarbeit wurde das Gelände mehr oder weniger grundsaniert. Heute gibt es neben dem Zeltplatz Stellplätze für Wohnmobile, einen Streichelzoo, eine Sauna und einen Bootsverleih. Vor allem der FFK-Campingbereich komme bei Familien mit Kindern sehr gut an, sagt Siemer.

Knatter und Blüten

In der Campingstudie 2024 wurden von den 180 Unternehmen im Land 51 exemplarisch untersucht. Zwei Erfolgsbeispiele wurden am Mittwoch vorgestellt

Blütencamping Riegelspitze in Werder (Potsdam-Mittelmark) am Glindower See hat 130 Stellplätze für Touristen, 120 Plätze für Dauercamper, eine Steganlage mit 90 Liegeplätzen und 35 weiter Unterkünfte.

Knatter-Camping liegt am Bantikower See in der Nähe von Kyritz (Ostprignitz-Ruppin). Auf dem Gelände befinden sich 150 Standplätze sowie zahlreiche Wohnwagen und Ferienhäuschen.

Die studierte Unternehmerin setzt vor allem auf ein Brandenburg-Image. Man versuche möglichst „Brandenburg-like“ zu sein. Die Gebäude orientierten sich an der regionalen Architektur. Die neue Rezeption ist als „Knattermühle“ geplant und soll auf die einstigen Wassermühlen verweisen, deren Räder so geknattert haben sollen, dass die Nachbarstadt Kyritz ihren oft irreführenden Beinamen „an der Knatter“ erhielt.

„Wir sind mit ganzem Herzen Brandenburger“, erläutert Siemer ihr Erfolgsrezept. In Zahlen heißt das: 2004 registrierten die Eltern noch 3800 Übernachtungen, heute sind es 17.500. Vor allem die Folgen des Klimawandels machen der Unternehmerin Sorgen. Starkregen, Sturm, überdurchschnittliche Hitzeperioden erforderten zusätzliche Investitionen auf dem Campingplatz, sagt Siemer.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das ist der QM3-Studie zufolge auch ein Trend in der Branche. Vor allem Solaranlagen zur Stromgewinnung würden zunehmend installiert. Das spart Kosten und schont die Umwelt. Zudem erhält die Digitalisierung Einzug auf den Campingplätzen.

So wie etwa bei Fanny Kinkel, der Inhaberin von „Blütencamping Riegelspitze“ in Werder (Potsdam-Mittelmark). In der Corona-Zeit begann sie, an der Einlassschranke eine Kennzeichen-Erkennung zu installieren, damit die Gäste nicht in die Rezeption mussten, um sich anzumelden.

Das war der erste Schritt. Mittlerweile funktionieren das Ein- und Aus-Checken samt Bezahlung über diesen Weg. Gebühren für die Waschmaschinennutzung werden per App entrichtet. Für die Angestellten wurde ein digitales Arbeitszeiterfassungssystem installiert. Geplant ist derzeit ein neues Onlinebuchungssystem mit dynamischen Preisen, deren Höhe sich an die saisonale Nachfrage orientiert. Die Zeiten, als Camping einfach nur Zelten war, sind eben lange vorbei.

MAZ