Baustelle Bezahlkarte: Eine unendliche Geschichte
Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern. Der Bezahlkarte für Geflüchtete droht in Berlin das Aus. Das könnte Folgen für alle Bundesländer haben. Seit Monaten wird über die bundesweite Einführung einer einheitlichen Bezahlkarte diskutiert und verhandelt. Immer wieder tauchen neue Hürden auf. So hat das Hamburger Sozialgericht in dieser Woche entschieden, dass starre Bargeldgrenzen auf der Geldkarte nicht geeignet sind, um den Mehrbedarf etwa von Schwangeren oder Familien mit Kleinkindern zu decken. Die für die Karte zuständige Sozialbehörde müsse die persönlichen Lebensumstände der Antragsteller berücksichtigen. In Berlin ist um die Anwendung des Urteils Streit entbrannt. Eine solche Einzelfallprüfung ist für die Verwaltung nicht leistbar. Es fehlt nicht nur an Personal. Der Prüfaufwand für die geringen Beträge ist unüberschaubar. Zur Erinnerung: Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hat sich vor wenigen Wochen auf eine solche Bargeldobergrenze von 50 Euro monatlich geeinigt.
Nicht die Sozialgerichte, die lediglich die Auslegung der Normen zu klären haben, sind hier die Bremser, sondern der Gesetzgeber selbst. Die Zersplitterung des Verwaltungshandelns in jede Einzelfallregelung hat sich in den letzten Jahren immer weiter ausgedehnt, mit gravierenden Folgen für den Verwaltungsvollzug. Warum setzt der Gesetzgeber keine klaren Grenzen, dass z.B. der Barbetrag nicht den individuellen Lebensunterhalt abdecken muss, sondern pauschaliert werden kann? Warum reicht das nicht aus? Warum muss der Bargeldbetrag variieren? Hier ist die Politik gefordert.
Es wurde auch versäumt, die Einführung der Karte wie ein Projekt zu behandeln, d.h. von Anfang an alle Beteiligten, den Gesetzgeber, die Behörden und Kommunen, die IT-Rechenzentren, den Datenschutzbeauftragten, Handel und Betroffene an einen Tisch zu holen, um das Projekt zu planen und zu starten. Ein ähnlicher Fehler wurde schon bei der Reform des Wohngeldes gemacht. Gelernt hat man daraus offenbar wenig. Warum arbeiten wir auf Behördenebene sequentiell und nicht parallel? Diese Woche hat die Datenschutzbeauftragte von Brandenburg, Dagmar Hartge, datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Whitelist bei der Bezahlkarte geäußert. Warum geschieht dies erst jetzt, Monate nach den ersten Planungen für die Bezahlkarte?
Die Geschichte der Einführung der Bezahlkarte in Deutschland ist noch lange nicht zu Ende. Der Einsatz des IT-Systems verzögert sich, weil potenzielle Bieter gegen die Ausschreibung des Vergabeverfahrens geklagt haben. Deutschland wird zum Bedenkenland, ein Wort, das noch nicht im Duden steht, aber sicher bald, wenn wir nicht stärker lösungsorientiert vorgehen (Franz-Reinhard Habbel).