Zum Inhalt springen

Ersatz für Minensperren Rüstungsfirma wirbt für »Drohnenwall« an der Nato-Ostflanke

Für seine Verteidigung will Deutschland deutlich mehr Geld ausgeben. Dem Rüstungsunternehmen Helsing zufolge sollten damit vor allem Drohnen angeschafft werden, für eine glaubhafte Abschreckung in Osteuropa.
Gundbert Scherf, Mitgründer und Co-CEO von Helsing, mit einer Drohne seines Unternehmens

Gundbert Scherf, Mitgründer und Co-CEO von Helsing, mit einer Drohne seines Unternehmens

Foto: Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Angesichts einer sich schnell ändernden Weltordnung will und muss Europa sich in Sachen Verteidigung neu aufstellen. Dazu gehört, glaubt man dem Rüstungsunternehmen Helsing, auch ein »Drohnenwall« an der Nato-Ostflanke. Ein solcher ließe sich »innerhalb eines Jahres errichten. Man braucht dazu noch Aufklärungssysteme, Satelliten und wahrscheinlich auch Aufklärungsdrohnen«, sagt Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender von Helsing.

Das Münchner Unternehmen ist auf die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) für die Rüstungsbranche  spezialisiert. Es hat unterschiedliche Drohnen und Satelliten entwickelt, die sowohl zum Angriff als auch zur Informationsbeschaffung eingesetzt werden können. Diese Kombination von Aufklärungs- und Kampfdrohnen sei eine intelligente Sperre, sagte Scherf. Feindliche Kräfte würden bekämpft, aber eigene Truppen durchgelassen. Ein »Drohnenwall« könne damit auch Minensperren ersetzen.

»Es ist ein bisschen paradox, aber gerade autonome Systeme sind für Demokratien gemacht. Wir schätzen das Leben, wir leben auch alle gerne ein gutes Leben. Ich glaube nicht, dass unsere Demokratien einen Abnutzungskrieg, der viele Menschenleben kostet, führen können oder wollen«, so Scherf. Sein Unternehmen könnte entscheidend profitieren, sollte die Bundesregierung tatsächlich massiv in Drohnen investieren.

Der Ukrainekrieg hat die Debatte über Drohnen verändert

In Deutschland war der Einsatz von bewaffneten Drohnen und automatisierten Waffensystemen lange umstritten. Nach jahrelangen Diskussionen im Bundestag passierte erst mal nichts. Noch 2020 hatte die SPD als kleinerer Partner in der Regierung mit der Union das Thema auf Eis legen lassen.

Der Schutz der eigenen Soldaten sei sehr wichtig, als »Friedenspartei« sehe man aber die Dimension der Drohne als Angriffswaffe, erklärten SPD-Vertreter. Fritz Felgentreu, damals verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schmiss aus Protest hin, um sich nicht verbiegen zu müssen. Erst der Großangriff Russlands auf die Ukraine 2022 veränderte die Lage grundsätzlich.

»Wenn wir an die Nato-Ostflanke denken, also 3000 Kilometer Grenze«, und »Zehntausende Kampfdrohnen dort konzentrieren, dann ist es eine sehr glaubwürdige konventionelle Abschreckung«, findet Scherf.

Drohnen als Ergänzung zu Panzern und Artillerie

Auch deutsche Militärplaner und Wissenschaftler befassen sich mit Hinweis auf die schnelle Aufrüstung Russlands mit den neuen Konzepten und ziehen Lehren aus der Ukraine. Im Baltikum wird ein »Drohnenwall« schon diskutiert. Drohnen werden dabei nicht als Alternative zu Panzern und Artillerie gesehen, aber als notwendige Ergänzung – bei der Deutschland allerdings auch mehr als drei Jahre nach der Zeitenwende noch ziemlich blank ist. »Aktuell läuft die Debatte noch wie im Kalten Krieg. Da zählen wir Panzersysteme, Flugzeuge und Schiffe auf der anderen Seite und gucken, ob wir mit viel Geld irgendwie in die Nähe von Parität kommen. Und ich glaube, das ist falsch herum gedacht«, sagt Scherf.

Laut Helsing ist die Drohne ein vergleichsweise billiges Massensystem mit stark asymmetrischer Wirkung. »Die Drohnen bekämpfen Systeme auf der anderen Seite, die einen deutlich höheren Gegenwert haben. Drohnen bekämpfen Panzer zu weniger als ein Prozent der Kosten«, sagte Scherf. Natürlich könne »ein Gegner auch mit viel teureren Raketen auf Drohnen schießen. Aber wenn man so will, ist dann die Bekämpfung der Drohne eher die Zerstörung einer Rakete.«

mkh/dpa