TikTok statt Tagesschau: Journalismus erreicht immer weniger junge Menschen

Gut 30 Prozent der 14- bis 24-Jährigen erreichen journalistische Angebote kaum noch. Forscher haben Vorlieben der "gering Informationsorientierten" analysiert.

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(Bild: Shutterstock.com/giuseppelombardo)

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Rund ein Drittel der 14- bis 24-Jährigen finden ihre Interessen und Anliegen in den klassischen Nachrichtenmedien nicht wieder. Sie nutzen daher Informationsangebote etablierter Medien wenig und werden so mit journalistischen Angeboten etwa auch über das aktuelle Weltgeschehen kaum noch erreicht.

Bei jungen Erwachsene im Alter von 18-24 Jahren liegt die Quote dieser "gering Informationsorientierten" laut einer jetzt veröffentlichten Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung alias Hans-Bredow-Institut bei 22 Prozent, bei Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sogar bei 45 Prozent. Die Forscher haben bei Gesprächen ihn zehn Fokusgruppen im Sommer in Hamburg, Bottrop, Dresden und Nürnberg die Informationsbedürfnisse, Nutzungspraktiken und Einstellungen dieser Gruppe ausgelotet.

Die jungen Informationsabstinenzler haben laut der Untersuchung im Rahmen eines Projekts zur Nachrichtennutzung und -kompetenz im digitalen Zeitalter meist eine niedrige formale Bildung. Nachrichten nehmen sie "beiläufig, passiv und fast ausschließlich über soziale Medien auf".

Die jungen Menschen sind den Ergebnissen zufolge überwiegend in Gruppen unterwegs, in denen unterschiedliche Meinungen zwar wertgeschätzt werden, Debatten über politische Themen aber selten vorkommen. Diskriminierung, soziale Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung werden dagegen besprochen. Die Hauptkritik an etablierten Medien lautet, dass diese keine Berührungspunkte zur eigenen Lebenswelt herstellen.

Jugendliche und junge Erwachsene aus der Zielgruppe schätzen unterhaltende Inhalte, die sie persönlich tangieren, haben die Wissenschaftler herausgefunden. Als Haupt-Informationsquelle dient ihnen TikTok, gefolgt von Instagram und YouTube mit Kanälen wie Herr Anwalt oder Rezo. Diese Macher genießen Vertrauen, da sie nach Ansicht der jungen Menschen die richtigen Themen auf eine neutrale Art mit der entsprechenden unterhaltenden Darstellungsweise behandeln.

Ein gewisses Suchtpotenzial problematisieren die Befragten bei ihrer Nutzung sozialer Medien. Dass überwiegend negativer, toxischer Content verbreitet wird und manipulierte Accounts und "Fake-Inhalte" zunehmen, führt bei ihnen zu Unsicherheiten und untergräbt das Vertrauen in soziale Netzwerke allgemein.

Über die Rolle der Presse für die Verbreitung von Informationen und über die dafür nötige Berufsausbildung wissen die Teilnehmer sehr wenig. Der Begriff "Journalismus" löst bei ihnen überwiegend negative Emotionen wie Desinteresse aus und ruft Assoziationen mit Fake News und Paparazzi hervor.

An den Nachrichten in klassischen Medien kritisieren die Befragten, dass diese zu viel übertreiben und zu wenig differenziert erklären. Es werde in den Medien meist eine dominante Perspektive vertreten, während andere nicht zu Wort kommen. Dadurch entstehe Druck, diese Medien-Perspektive zu übernehmen.

(vbr)