Entfesselte Kreativität! Produktiveres und schnelleres Arbeiten! So warb Satya Nadella, Chef des Softwarekonzerns Microsoft, kürzlich für seine künstliche Intelligenz (KI) im jährlichen Brief an die Investoren. Generative KI, um die sich derzeit alles dreht, könne sogar dabei helfen, die drängendsten Probleme der Menschheit zu lösen.

Das mag man übertrieben finden. Aber die Großspurigkeit des Konzernchefs ist offenbar nötig. Microsoft braucht das Geld und die Ausdauer der Investoren. Denn noch lässt sich mit der Technologie nicht viel Geld verdienen.

"Die Kosten für die Rechenleistung sind zum Heulen", twitterte Sam Altman, Chef von OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, im vergangenen Dezember. Der Sprachbot gehörte damals noch nicht zu Microsoft und war gerade live gegangen. Altman schätzte, dass jede Frage an die KI wenige Cent kostet. Allein betrachtet ist das nicht viel Geld. Aber bei Millionen Abfragen pro Tag kommen schnell große Beträge zusammen. Dylan Patel, Analyst bei SemiAnalysis, nahm im Februar an, dass es OpenAI jeden Tag bis zu 700.000 Dollar kostet, ChatGPT zu betreiben. Damals war das Programm noch kostenlos, OpenAI machte also jede Woche Millionenverluste. Inzwischen gibt es auch eine Bezahl-Variante, die sich an Unternehmenskunden richtet.

Die Tech-Unternehmen, die mit ihren Investitionen voll auf KI setzen, halten sich bedeckt, was die Kosten der Technologie angeht. Das Wall Street Journal berichtete kürzlich unter Berufung auf eine mit den Zahlen vertraute Quelle, dass die Microsoft-Tochter Github in den ersten Monaten dieses Jahres mehr als 20 Dollar pro Nutzer und Monat Verlust gemacht haben soll. Github vertreibt einen KI-Assistenten, der Programmierern dabei hilft, Computercode zu schreiben. Ein Github-Manager stellte nun einem Bericht zufolge fest, dass ihr KI-Assistent profitabel sei. Doch wie sich die Kosten zusammensetzen, bleibt unklar.

Fest steht: Sie sind hoch.

Generative KI-Modelle, die Texte schreiben und Bilder erschaffen können, sind extrem komplexe Systeme. Sie zu entwickeln und zu trainieren kann Jahre dauern und Hunderte Millionen Euro kosten. Die Unternehmen benötigen gigantische Serverfarmen, vollgestopft mit Hochleistungschips, die inzwischen aufgrund der immensen Nachfrage stark im Preis gestiegen sind. Auch die Gehälter einiger KI-Experten können es mit denen von Bundesligaprofis aufnehmen.

Während klassische Software, einmal entwickelt, im Alltag recht kostengünstig betrieben werden kann, sind die laufenden Kosten bei generativer KI immens. Experten halten sie für eine der größten Hürden auf dem Weg zu einem profitablen Geschäftsmodell. Jede Anfrage an einen KI-Chatbot oder virtuellen Assistenten kostet die Unternehmen Geld. Denn für jede Antwort, jede Zeile Code oder jedes Bild, das die Software erzeugt, muss sie komplexe Berechnungen durchführen. Die dafür benötigten Rechenzentren sind teuer und verbrauchen große Mengen an Strom. Ein einzelner Hochleistungschip des Herstellers Nvidia kostet derzeit rund 30.000 US-Dollar. KI-Unternehmen benötigen Zigtausende davon.

Noch sind die Tech-Giganten bereit, mit ihren KI-Chatbots und Assistenten Verluste zu machen, um möglichst große Marktanteile zu gewinnen. Noch sind Investoren bereit, Milliardensummen in die KI-Unternehmen zu stecken. Sie hoffen auf leistungsfähigere Chips und auf effizientere Algorithmen. Und darauf, dass sich noch mehr Anwendungen für ihre KI finden lassen, für die Unternehmen bereit sind, viel Geld zu bezahlen. Gleichzeitig versuchen die KI-Anbieter ihre Strategien anzupassen. Wer für den Chatbot ChatGPT von OpenAI nichts bezahlen will, der muss mit einer weniger leistungsfähigen Version der Software vorliebnehmen.

Microsoft will im Herbst einen neuen KI-Assistenten auf den Markt bringen. Dieser soll Präsentationen erstellen, E-Mails schreiben oder Meetings zusammenfassen können. 30 Dollar im Monat soll das die Nutzer kosten. Für Unternehmenskunden könnte das eine Preiserhöhung um bis zu 83 Prozent zusätzlich zu den Office-Produkten bedeuten. Google wird mit seinem virtuellen Assistenten fürs Büro ebenfalls 30 Dollar extra verlangen.

Adobe, das Unternehmen hinter Photoshop, nutzt eine Art Guthabensystem, um ausufernde Verluste zu vermeiden. Sobald ein Nutzer mit der KI eine gewisse Anzahl an Bildern generiert hat, verlangsamt sich der Service automatisch. Da muss die entfesselte Kreativität dann mal zurückstecken.