Nach Solingen: Volksfeste erhöhen bundesweit Sicherheitsvorkehrungen

Polizisten beim Oktoberfest auf der Theresienwiese.
Quelle: imago images/Ralph Peters
Berlin. Nach dem Anschlag auf das Stadtfest in Solingen haben die Ausrichter mehrerer weiterer Großveranstaltungen erhöhte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. Unter anderem wurden für das Oktoberfest in München zusätzliche Einlasskontrollen verkündet, für die Kirmes in Wermelskirchen ein Messerverkaufsverbot und für das „Weindorf“ in der Stuttgarter Innenstadt eine vergrößerte Waffen- und Messerverbotszone.
In Nordrhein-Westfalen wurden geplante Volkfeste direkt abgesagt. Das betrifft unter anderen in den nahe bei Solingen gelegenen Städten Hilden und Haan, die für dieses Wochenende Feste geplant hatten. Dabei spiele neben großer Betroffenheit und Trauer auch die Sicherheitslage eine Rolle, hieß es. In Wülfrath wurde laut Polizei zudem der für Sonntag geplante „Blaulichttag“ abgesagt, und auf Schloss Burg – einem beliebten Ausflugsziel im Solinger Stadtteil Burg – die Ritterspiele.
„Dürfen uns von Terroristen unseren freiheitlichen Lebensstil nicht zerstören lassen“
Der Städte- und Gemeindebund erwartet angesichts der Morde von Solingen eine Überprüfung der bestehenden Sicherheitskonzepte von Volksfesten in den deutschen Kommunen – warnt aber vor überzogenen Erwartungen. „Natürlich werden die Städte und Gemeinden als Reaktion auf die Ereignisse in Solingen noch einmal prüfen, ob Verbesserungen notwendig sind“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Politische Debatte nach Solingen: Die Wut hilft nicht weiter
Nach der Messerattacke in Solingen fordert CDU-Chef Merz einen Aufnahmestopp für Afghanen und Syrer. Das verbietet das Grundgesetz. Die „Wut“ des Kanzlers auf den Täter hilft auch nicht weiter. Nötig ist schnelles Handeln, und dennoch wird die Demokratie verletzlich bleiben, kommentiert Kristina Dunz.
Allerdings werde im Vorfeld solcher Veranstaltungen schon immer zwischen bestmöglichem Schutz und größtmöglicher Freiheit abgewogen. „Leider gehört zur Wahrheit, dass sich Taten wie in Solingen auch mit den umfassendsten Schutzvorkehrungen niemals zu 100 Prozent ausschließen lassen.“
Der Verbandchef betonte: „Die Sicherheitsmaßnahmen müssen effektiven Schutz gewährleisten, aber gleichzeitig auch verhältnismäßig sein und unserer freiheitlichen Gesellschaft entsprechen.“ Der Charakter der Feste dürfe nicht komplett verändert werden, so Berghegger: „Wichtig ist, dass wir uns von Terroristen unseren freiheitlichen Lebensstil nicht zerstören lassen, denn dann hätten sie ihr Ziel erreicht.“

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„Feste in den Städten müssen weiter möglich bleiben“, sagte auch der Präsident des Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, dem RND. Die Sicherheitsbehörden würden vor Ort entscheiden, welche Maßnahmen für Großveranstaltungen, Stadtfeste und Open-Air-Veranstaltungen nötig sind und die Sicherheitskonzepte regelmäßig anpassen. „Aber der Schutz vor Terrorgefahren kann nie hundertprozentig sein“, so Lewe. „Wir können und wollen die Innenstädte nicht zu Festungen umbauen.“
Absolute Sicherheit vor Messerangriffen kann es nicht geben
Nachdem beim Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer ermordet und weitere verletzt wurden, werden vielerorts die Kontrollen ausgeweitet. Die Stadt München rechnet deshalb für das Oktoberfest mit längeren Wartezeiten an den Einlasspunkten. „Aus Anlass der aktuellen Sicherheitslage werden wir die Kontrollen nochmals intensivieren“, kündigte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an. Der Veranstaltungschef des größten Volksfestes der Welt, Clemens Baumgärtner (CSU), hatte zuvor auf die bereits hohen Standards verwiesen: „Solingen wirft uns jetzt nicht völlig aus der Bahn, und es ist nicht so, dass wir das Rad deswegen neu erfinden müssen, weil diese Attentatsszenarien im Sicherheitskonzept schon mitgedacht sind“, sagte er. Dennoch wäre es fahrlässig, jetzt nicht alles noch mal zu überprüfen.
Am Freitag waren bei einer Messerattacke in der nordrhein-westfälischen Stadt Solingen drei Menschen getötet worden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen einen Tatverdächtigen wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der 26 Jahre alte Syrer sitzt in Untersuchungshaft. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art: Im April soll ein 19-Jähriger eine rund 50 Zentimeter lange Machete auf das Stuttgarter Frühlingsfest eingeschleust haben – trotz Kontrollen.
In Sicherheitskreisen ist man sich jedoch im Klaren darüber, dass es keine absolute Sicherheit vor Messerangriffen oder anderen Gewalttaten geben kann – trotz Waffenverboten und Kontrollen an den Eingängen von Volksfesten und anderen Großveranstaltungen. Schon die Taschenkontrollen durch private Sicherheitsdienste fänden häufig so oberflächlich statt, dass ein Hereinschmuggeln gefährlicher Gegenstände problemlos möglich sei – ganz zu schweigen von Verstecken in der Kleidung oder am Körper. Eine zumindest nahezu „absolute“ Sicherheit wäre wohl nur mit Kontrollen möglich, die so umfangreich und invasiv sind, dass es dafür in einer freiheitlichen Gesellschaft keine Akzeptanz gibt.
mit hue/dpa